Das Verlustausgleichsvolumen des § 15a EStG: BFH äußert sich zu Einlagen aus Mehrentnahmen

03.02.2025

Einkommensteuer

Das Verlustausgleichsvolumen des § 15a EStG: BFH äußert sich zu Einlagen aus Mehrentnahmen

Im Verlustentstehungsjahr erbrachte Einlagen sind bei der Ermittlung der Höhe des verrechenbaren Verlusts eines Kommanditisten in voller Höhe zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Mittel aus Entnahmen stammen, die der Kommanditist in den Vorjahren über die von ihm erbrachten Einlagen hinaus getätigt hat. Das hat der BFH klargestellt. Lernen Sie nachfolgend die steuerzahlerfreundliche Entscheidung und deren Folgen für die Praxis kennen.

Die steuerrechtlichen Grundlagen

§ 15a EStG regelt Verlustverrechnung der Kommanditisten
Nach § 15a Abs. 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust einer KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Was sich hinter „Kapitalkonto“ i. S. v. § 15a EStG verbirgt, definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich um das

nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto in der Gesamthand

zzgl. ggf. bestehender Ergänzungsbilanzen des Kommanditisten

zzgl. dessen Einlagen und

vermindert um dessen Entnahmen.

Wann ein negatives Kapitalkonto entsteht ...
Ob ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht und ein Verlust gemäß § 15a EStG aus diesem Grund nur verrechenbar ist, ergibt sich durch einen Vergleich des Kapitalkontenstands am Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung mit demjenigen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (Prinzip des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs).

... und welche Folgen das beim Kommanditisten hat
Einfluss auf die Höhe des Kapitalkontenstands am Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung haben demnach grundsätzlich nur Einlagen und Entnahmen, die in diesem Wirtschaftsjahr geleistet werden. Der Betrag, in dessen Höhe ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, erhöht danach den zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres festzustellenden verrechenbaren Verlust.

Um diesen Verlustausgleichsfall ging es beim BFH

Finanzamt versagt Verlustausgleich wegen Mehrentnahmen in Vorjahren ...
Im BFH-Fall ging es um den Kommanditisten der X-KG. Er hatte für das Jahr 2016 im Rahmen der Feststellungserklärung den Ausgleich von Verlusten gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 EStG aufgrund von in diesem Jahr erbrachten Einlagen beantragt. Das Finanzamt hatte den Verlustausgleich versagt. Es begründete das damit, dass die Entnahmen des Kommanditisten in den Jahren 2014 und 2015 dessen Einlagen überstiegen. Eine Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 S. 1 EStG für diese Einlageminderung war unterblieben, weil in den Feststellungszeiträumen bis einschl. 2015 keine ausgleichsfähigen Verluste auf den Kommanditisten entfielen (§ 15a Abs. 3 S. 2 EStG). Die im Streitjahr erbrachten Einlagen wertete das Finanzamt als Rückführung der in den Vorjahren getätigten Mehrentnahmen und brachte in dieser Höhe einen die Einlagen mindernden Korrekturposten „Rückführung Mehrentnahmen“ in Abzug, sodass sich der verrechenbare Verlust gemäß § 15a Abs. 4 EStG entsprechend erhöhte.

... über Korrekturposten „Rückführung Mehrentnahmen“
Ein Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 2016 der X-KG blieb erfolglos. Im finanzgerichtlichen Verfahren wandte sich der Kommanditist gegen die Ermittlung des verrechenbaren Verlusts gemäß § 15a EStG. Der Ansatz der Position „Rückführung Mehrentnahmen“ sei rechtswidrig, da es hierfür keine gesetzliche Grundlage gebe. Das FG Münster gab der Klage in diesem Punkt statt (FG Münster 13.4.22, 13 K 141/20). Das FA ging in Revision.

Das Urteil des BFH

BFH entscheidet steuerzahler- freundlich
Der BFH wies die Revision des Finanzamts jetzt letztinstanzlich zurück. Die im Jahr 2016 geleisteten Einlagen seien in voller Höhe zu berücksichtigen und führten zu einem vollständigen Verlustausgleich. Dies ergebe sich aus § 15a Abs. 1 S. 1 EStG, dem das Prinzip des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs zugrunde liegt. Demnach kommt eine Minderung der in einem Wirtschaftsjahr geleisteten Einlagen um Mehrentnahmen aus Vorjahren gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 EStG nicht in Betracht (BFH 10.10.24, IV R 10/22).

So begründet der BFH seine Entscheidung

Vorjahresentnahmen sind laut BFH für Ermittlung des ...
Nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG sei die Frage, ob ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, allein anhand eines stichtagsbezogenen Vergleichs des Kapitalkontenstands am Ende eines Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung mit dem Kapitalstand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu beantworten. Daher sind die Entnahmen des Vorjahres für die Ermittlung des verrechenbaren Verlustes des Verlustentstehungsjahres unbeachtlich.

BFH legt § 15 Abs. 1 EStG wortgetreu aus

... verrechenbaren Verlusts des Verlustentstehungsjahres unbeachtlich
Die Tatsache, dass die Mittel für die Einlagen des Klägers bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Entnahmen stammen, die dieser in den Vorjahren über die von ihm erbrachten Einlagen hinaus getätigt hat und die wegen § 15a Abs. 3 S. 2 EStG nicht zu einer Gewinnhinzurechnung geführt haben, habe auf die Ermittlung des Kapitalkontenstands zum Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung keinen Einfluss. Die wortgetreue Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG schließe somit eine Berücksichtigung eines Korrekturbetrags „Rückführung Mehrentnahmen“ aus.

„Wiedereinlage von Mehrentnahmen der Vorjahre“ ...
Auch eine teleologische Reduktion des Einlagebegriffs hat der BFH abgelehnt, da dies bedeuten würde, einen zu weit gefassten Wortlaut einer Norm mit Rücksicht auf deren Zweck einzuschränken. Dies sei nicht gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Der BFH führt hierzu aus, dass auch wenn der Kommanditist im Ergebnis durch die Einlagen kein „neues Kapital“ zuführt, da er bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrentnahmen der Vorjahre lediglich wieder einlegt, dies im Ergebnis nicht dem Sinn und Zweck des § 15a Abs. 1 EStG widerspricht. Auch in diesem Fall komme der Kommanditist mit der Einlage für die Verluste des laufenden Wirtschaftsjahres auf. Die ungekürzte Berücksichtigung der Einlagen entspräche sowohl der stichtagsbezogenen Systematik des § 15a Abs. 1 EStG als auch dem Ziel des Gesetzgebers, die Regelung einfach handhabbar zu gestalten.

... widerspricht der Regelung des § 15a Abs. 1 EStG nicht
Die Finanzverwaltung bemängelte in dem Verfahren unter anderem, dass ohne diesen Korrekturposten Manipulationsspielräume durch ein Wechselspiel von Einlagen und Entnahmen je nach Bedarf entstehen könnten. Der BFH entgegnete hierauf, dass unklar sei, in welchem Zeitfenster ein solches „Hin und Her“ denn schädlich sei, und dass auch außersteuerliche Gründe vorliegen könnten, warum eine Gesellschaft Kapitalbedarf hat oder nicht.

BFH lässt auch Unterkapitalisierungs-Argument nicht gelten

Keine Kapitalerhaltungspflicht nach § 15a EStG
Auch dem Einwand des BMF, das dem Verfahren beigetreten war, dass sich ohne den Korrekturposten ggf. ein Anreiz ergäbe, durch Entnahmen eine Unterkapitalisierung der Gesellschaft herbeizuführen, da es reizvoller sein kann, statt das Kapital in der Gesellschaft zu belassen, Entnahmen zu tätigen, um sie später wieder in die Gesellschaft einzulegen, trat der BFH entgegen. Dies könne nicht begründen, dass sich bei wortgetreuer Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG in den Fällen der Rückführung von Überentnahmen ein sinnwidriges Ergebnis ergibt. § 15a EStG diene nicht der Kapitalerhaltung, sondern der Gewährung eines Verlustausgleichs in der Höhe, in der der Kommanditist wirtschaftlich belastet ist.

Eine analoge Anwendung von § 15a Abs. 3 EStG wies der BFH zurück. Die Vorschrift beträfe Fälle der Einlage- und Haftungsminderung, sie erfasse jedoch bei wortgetreuer Auslegung den Mehrentnahmefall nicht. Auch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO sah der BFH nicht.

Musterfall zeigt Auswirkungen der BFH-Entscheidung

Das folgende – an den BFH-Fall angelehnte – Beispiel führt Ihnen noch einmal vor Augen, welche Auswirkungen die BFH-Entscheidung in der Unternehmenspraxis hat.

Fallschilderung

GmbH & Co. KG hat nur einen Kommanditisten
A ist einziger Kommanditist der A GmbH & Co. KG und zu 100 Prozent am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Komplementärin ist die X-GmbH ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Zur Vereinfachung der Darstellung wird angenommen, dass das Haftkapital von A null EUR beträgt. Die Gesellschaft wurde am 1.1.01 gegründet. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass A auch im Verlustfall zur Deckung seines Lebensunterhalts 40.000 EUR pro Jahr entnehmen darf. Dabei handelt es sich um einen Vorschuss auf künftige Gewinnanteile.

Kommanditist entnimmt trotz Verlusts der GmbH & Co. KG ...
Die A GmbH & Co. KG erzielt im Jahr 01 einen Verlust in Höhe von 20.000 EUR, sodass zum 31.12.01 für A verrechenbare Verluste in Höhe von 20.000 EUR gemäß § 15a Abs. 4 EStG festgestellt wurden. A hat zudem im Jahr 01 von der Möglichkeit der Entnahme von 40.000 EUR zur Bestreitung seines Lebensunterhalts Gebrauch gemacht.

Im Jahr 02 beträgt der Verlust der KG 40.000 EUR, in derselben Höhe hat A Einlagen geleistet. Beträge zur Bestreitung des Lebensunterhalts entnimmt A im Jahr 02 nicht. Das Kapitalkonto des A stellt sich in den Jahren 01 und 02 wie folgt dar:

... mit entsprechenden Folgen für das Kapitalkonto
Kapitalkonto 1.1.01

0 EUR

Verlustanteil 01

20.000 EUR

Entnahmen 01

40.000 EUR

Kapitalkonto 31.12.01

,/. 60.000 EUR

Verlustanteil 02

40.000 EUR

Einlagen 02

40.000 EUR

Kapitalkonto 31.12.02

,/. 60.000 EUR

Steuerfolgen bei Obsiegen des Finanzamts

Hätte das Finanzamt obsiegt, hätte in Höhe der vorgezogenen (Mehr-)Entnahmen des Jahres 01 in Höhe von 40.000 EUR zum 31.12.01 ein sog. Korrekturposten gebildet werden müssen. Dieser wäre im Jahr 02 zur Ermittlung des Verlustausgleichvolumens zunächst mit dem laufenden Verlustanteil in Höhe von 40.000 EUR verrechnet worden, sodass im Ergebnis im Jahr 02 kein Verlustausgleich möglich gewesen wäre. In Höhe von 40.000 EUR wäre zum 31.12.02 der verrechenbare Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG auf 60.000 EUR erhöht worden.

Steuerfolgen aufgrund BFH-Urteil

Verlust in 02 ist mit anderen positiven Einkünften ausgleichsfähig
Nach dem Urteil des BFH ist der Anteil des A am Verlust des Jahres 02 in Höhe von 40.000 EUR in voller Höhe mit anderen positiven Einkünften ausgleichsfähig, da sich das Kapitalkonto im Vergleich zum 31.12.01 aufgrund der im Jahr 02 geleisteten Einlage nicht verändert hat. Der BFH verweist auf die streng jahresbezogene Betrachtung, sodass zum 31.12.01 kein Korrekturposten zu bilden ist und die Entnahmen aus dem Jahr 01 somit nicht von Bedeutung sind.

Vor gesetzgeberischem Tätigwerden jetzt Handlungs- optionen prüfen
Fazit | Der BFH hat deutlich gemacht, dass die rechtspolitische Fehlerhaftigkeit einer Norm keine teleologische Reduktion des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG nach sich ziehen kann. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, falls die Rückführung von Mehrentnahmen eine Ausnahme vom stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleich darstellen soll, für eine entsprechende gesetzliche Regelung zu sorgen. Da das BMF diesem Verfahren beigetreten ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Gesetzgeber die Kritik des BFH aufnehmen und für eine gesetzliche Neuregelung des Einlagebegriffs i. S. v. § 15a Abs. 1 S. 1 EStG sorgen wird. Aus diesem Grund kann es ratsam sein, sich bereits heute mit möglichen Gestaltungsoptionen auseinanderzusetzen, bevor eine mögliche Gesetzesänderung diesen einen Riegel vorschiebt.