Falscher Steuerausweis in Rechnungen an Endverbraucher: Verwaltung ist nun großzügiger

15.04.2024

Hat der Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, als das UStG hierfür vorsieht, schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 UStG). Bei dieser „Strafsteuer“ gab es bislang eine strenge Auslegung durch den BFH und das BMF. Wegen eines Urteils des EuGH (8.12.22, C-378/21) hat sich das aber nun geändert und die Finanzverwaltung zeigt sich großzügiger (BMF 27.2.24, III C 2 - S 7282/19/10001 :002). Durch anhängige Verfahren könnte es sogar zu weiteren Lockerungen kommen.

Umsatzsteuer

Falscher Steuerausweis in Rechnungen an Endverbraucher: Verwaltung ist nun großzügiger

Hat der Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, als das UStG hierfür vorsieht, schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 UStG). Bei dieser „Strafsteuer“ gab es bislang eine strenge Auslegung durch den BFH und das BMF. Wegen eines Urteils des EuGH (8.12.22, C-378/21) hat sich das aber nun geändert und die Finanzverwaltung zeigt sich großzügiger (BMF 27.2.24, III C 2 - S 7282/19/10001 :002). Durch anhängige Verfahren könnte es sogar zu weiteren Lockerungen kommen.

1. Das BMF-Schreiben vom 27.2.24

Die Steuerschuld nach § 14c UStG besteht bislang unabhängig davon, ob der falsch ausgewiesene Steuerbetrag auch als Vorsteuer absetzbar ist. § 14c UStG gilt daher auch, wenn die Steuer unrichtig oder unberechtigt gegenüber Privatpersonen ausgewiesen wird (BFH 13.12.18, V R 4/18, Rz. 16; 31.5.17, V B 5/17, Rz. 5).

Der EuGH (8.12.22, C-378/21) hat in einem österreichischen Fall mit einem falschen Steuersatz nun allerdings entschieden, dass ein Steuerpflichtiger den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht nach Art. 203 MwStSystRL (entspricht § 14c UStG) schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. Dies ist der Fall, wenn eine Leistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Art. 203 MwStSystRL ist hier nicht anwendbar.

Das BMF hat hierauf mit seinem Schreiben vom 27.2.24 wie folgt reagiert: Die Vorschrift ist unionsrechtskonform einschränkend dahin gehend auszulegen, dass keine Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG entsteht, wenn ein Unternehmer eine Leistung tatsächlich ausgeführt und hierüber eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis an einen Endverbraucher gestellt hat.

Beachten Sie | Auch § 14c Abs. 2 S. 1 UStG soll entfallen, wenn ein Kleinunternehmer eine Leistung tatsächlich ausgeführt und hierüber eine Rechnung mit einem Steuerausweis an einen Endverbraucher gestellt hat. Auf andere Fälle des § 14c Abs. 2 UStG (z. B. bei Scheinrechnungen) soll die einschränkende Auslegung aber nicht anzuwenden sein.

Merke | Die Tatsache, dass die Rechnung an einen Endverbraucher ausgestellt worden ist, stellt eine den Steueranspruch einschränkende Tatsache dar, die durch den Unternehmer glaubhaft darzulegen bzw. plausibel zu begründen ist.

Zu den Endverbrauchern zählt die Verwaltung insbesondere Nichtunternehmer und Unternehmer, die nicht als solche handeln (insbesondere Unternehmer bei Leistungsbezug für ihren privaten Bereich oder für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit i. e. S. [u. a. hoheitlich]).

Merke | Dadurch, dass das BMF „insbesondere“ verfügt, dürfte es sich um eine nicht abschließende Aufzählung handeln. Es ist aber fraglich, wen die Verwaltung insoweit noch anerkennen würde. In Mischfällen, in denen die gleiche Leistung betreffende Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis sowohl an Endverbraucher als auch an Unternehmer für deren unternehmerischen Bereich erteilt wurden, sind die vorgenannten Grundsätze nur bezüglich der Rechnungserteilung an Endverbraucher anzuwenden. Es kann nach Meinung der Verwaltung weder eine Schätzung noch eine Wahrscheinlichkeitsberechnung oder Ähnliches erfolgen.

Bei der Beurteilung, ob der Leistungsbezieher als Endverbraucher gehandelt hat, kann die Art der Leistung berücksichtigt werden. Zu Leistungen, die ihrer Art nach mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für das Unternehmen, sondern für den privaten Gebrauch bestimmt sind, verweist das BMF auf seine Weisungen zu § 3a Abs. 1 UStG (vgl. A 3a.2 Abs. 11a UStAE). Dieser Leistungskatalog ist aber unbeachtlich, sofern im Einzelfall feststeht, dass die Leistung nicht an einen Endverbraucher erbracht worden ist.

Beachten Sie | Ist bei einer Rechnungserteilung an Endverbraucher keine Steuer nach § 14c UStG entstanden, bedarf es aus umsatzsteuerlicher Sicht auch keiner Rechnungsberichtigung mehr.

2. Aktuelle Rechtsprechung des FG Köln

Nach Meinung der Finanzverwaltung ist es für die Entstehung der Steuerschuld nach § 14c UStG nicht ausschlaggebend, ob und ggf. inwieweit tatsächlich ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist. Daher entsteht die Steuer nach § 14c UStG auch dann, wenn die Rechnung z. B. an einen Kleinunternehmer, einen pauschalierenden Land- und Forstwirt oder einen Unternehmer mit Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausschließen, erteilt worden ist. Denn auch in diesen Fällen kann ein Vorsteuerabzug – z. B. durch eine spätere Option zur Steuerpflicht, über eine spätere Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG oder auch unrechtmäßig – nicht ausgeschlossen werden.

Das hat das FG Köln (25.7.23, 8 K 2452/21; Rev. BFH: V R 16/23) anders entschieden: Sofern die Klägerin gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Kunden unstreitig steuerbefreite Post-Universaldienstleistungen in Gestalt von PZA-Leistungen erbracht hat, für die sie gegenüber ihren Kunden unrichtigerweise Umsatzsteuer ausgewiesen hat, ist der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zu beachten. Dieser schließt eine nationale Regelung wie § 14c Abs. 1 UStG aus, die die Berichtigung der Steuerschuld eines nachweislich gutgläubigen Rechnungsausstellers von der Korrektur seiner unrichtigen Rechnungen abhängig macht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Korrektur faktisch nicht möglich ist, weil dem Rechnungsaussteller die Rechnungsadressaten namentlich nicht bekannt sind.

Beachten Sie | Der 9. Senat des FG Köln (15.11.23, 9 K 1068/22; Rev. BFH: XI R 35/23) hat vergleichbar argumentiert.