Bundesrechnungshof fordert die Stärkung der Kassen-Nachschau: Zwischen Anspruch und Alltag

22.08.2025

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Besteuerung in der Bargeldbranche

Bundesrechnungshof fordert die Stärkung der Kassen-Nachschau: Zwischen Anspruch und Alltag

Die Kassen-Nachschau ist ein Instrument, das seit 2018 dem Fiskus die Möglichkeit verschafft, Betriebe spontan auf die „Ehrlichkeit der Kassen“ zu prüfen. Die Grundidee ist so einfach wie konsequent: Steuerbetrug, gerade rund ums Bargeld, soll keine Chance mehr haben. Aber wie sieht dieses Instrument wirklich hinter der Ladentheke aus? Ein Blick in die jüngsten Erkenntnisse des Bundesrechnungshofs (BRH) zeigt: Die Kassen-Nachschau ist ein Werkzeug, das noch lange nicht rund läuft.

1. Die Kassen-Nachschau

Bei Betrugsquoten in bargeldintensivenBranchen von bis zu 80 % ...
Der BRH geht davon aus, dass in bargeldintensiven Branchen bis zu 80 % der Umsätze zumindest teilweise nicht versteuert werden. Der Gesamtschaden für die Allgemeinheit wird auf bis zu 70 Mrd. EUR jährlich taxiert, wenn man Umsatzsteuer-, Lohn- und Sozialabgaben zusammennimmt. Kein Wunder, dass die Politik handeln wollte – und im Kassengesetz eine Antwort fand. Besonders manipulierte oder „offene“ Kassensysteme waren dem Gesetzgeber ein Dorn im Auge: Wer in bar kassiert, sollte das künftig ordentlich und für die Behörden nachvollziehbar tun.

1.1 Anspruch und Wirklichkeit in der Praxis

… gehen jährlich Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe verloren
Die Idee klingt nach flächendeckender Risikoabschreckung. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Bislang beißt sich die Kassen-Nachschau ein wenig die Zähne an der Realität aus. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber das Ziel gesetzt, jährlich knapp 2,5 % aller Betriebe einer Nachschau zu unterziehen. Bei rund 7,8 Mio. erfassten Betrieben wären das ungefähr 190.000 Prüfungen pro Jahr. Tatsächlich hat man diese Marke zuletzt nur zu 3 bis 8 % erreicht – das heißt, bundesweit fanden im Jahr 2023 kaum 15.000 Nachschauen statt. Betriebe werden, statistisch betrachtet, also nur etwa alle 42 Jahre geprüft. Gerade da, wo der Staat Einnahmen sichert, ist das keine Erfolgsquote, die Vertrauen schafft.

Bundesweit höchst unterschiedliche Anwendung der Kassen-Nachschau
Hinzu kommt ein Flickenteppich aus regionalen Regeln: Während in manchen Bundesländern kontrolliert wird, bleibt anderswo selbst die einfache „Kassen-Nachschau light“ ein Fremdwort. Statt einer gründlichen Prüfung blieb es meist bei einer ersten Bestandsaufnahme vor Ort, die einfach nur festgehalten wurde. Die Kontrolle von tatsächlich ausgegebenen Belegen oder ein Zugriff auf gespeicherte Kassendaten – samt genauer Auswertung – fand bei diesen „Light“-Versionen der Kassen-Nachschau gar nicht statt. Nicht selten prüft man nur klassische digitale Kassen. Offene Ladenkassen, Taxameter oder Waagen geraten ins Hintertreffen – obwohl auch hier Betrugsrisiken bestehen. Eine bundesweit einheitliche Definition von „bargeldintensiven Branchen“ existiert weiterhin nicht. Hier plant das BMF eine Definition für die Bargeldbranche mit den Ländern zu erörtern. Zielvereinbarungen seien damit ab dem Jahr 2027 zumindest denkbar.

Zum jetzigen Zeitpunkt aber bleiben viele Prüfungen dem Zufall oder gerade verfügbaren Prüferkapazitäten überlassen.

1.2 Was heißt das für den Alltag?

Kassen-Nachschau stellt diffuse „Bedrohung“ für viele Unternehmer dar
Für viele Unternehmer – egal ob Restaurantbesitzer, Friseur, Bäcker oder Taxifahrer – bleibt die Kassen-Nachschau oft eine diffuse „Bedrohung“, manchmal auch eine Überraschung. Wer vorbereitet ist, hat wenig zu befürchten. Aber die Anforderungen sind durchaus sportlich: Jede elektronische Kasse muss etwa eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) haben, deren Konfiguration ordentlich dokumentiert sein muss. Tagesabschlüsse, Bedienungsanleitungen – all das sollte griffbereit und lückenlos geführt werden. Und wehe, bei spontaner Stichtagskontrolle stimmt der Kassenbestand nicht! Dann rückt die Nachschau schnell in Richtung Betriebsprüfung auf.

Praxistipp | Der BRH empfiehlt Unternehmen eindringlich, nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch bestens gerüstet zu sein. Neben dem täglichen Abschluss gilt: Das Personal muss wissen, wie es bei einer Nachschau reagiert – und wer im Zweifel den Steuerberater kontaktiert. Ein Notfallplan für Kassen- oder Stromausfälle sollte ebenso wenig fehlen wie die fortlaufende Dokumentation über Updates oder Bedienerwechsel an der Kasse.

1.3 Typische Probleme in der Praxis

Überprüft werdenüberwiegend elektronische, PC- oder App-Kassen
Auch die besten Absichten helfen wenig, wenn die Umsetzung vor Ort schwächelt. Häufige Fehler reichen von fehlenden oder nicht richtig funktionierenden TSE über lückenhafte TSE-Protokolle bis hin zu „offenen Ladenkassen“, bei denen das Bareinkommen nicht laufend dokumentiert wird. Excel-Tabellen akzeptiert kein Prüfer mehr als Kassenbuch – hier droht postwendend Ärger. Immer wieder übersehen wird, dass auch Taxameter den Kassenanforderungen genügen müssen. Wer hier nicht aufpasst, riskiert böse Überraschungen im Falle einer Nachschau.

2. Aus der Sicht der Steuerberatung

Für Berater sind die aktuellen Rahmenbedingungen ein Problem
Man kann es nicht anders sagen: Für Berater sind die aktuellen Rahmenbedingungen ein Problem. Wann, wie und bei wem eine Nachschau kommt, ist heute schwer kalkulierbar – und die Unterschiede zwischen den Regionen sorgen für zusätzliche Unsicherheit. „Generalprävention“ klingt auf dem Papier gut, versandet aber, wenn faktisch nur eine Minderheit der Betriebe je überprüft wird. Das kann auch dazu führen, dass mancher Unternehmer seine eigenen Risiken anders einschätzt als der Gesetzgeber es gern hätte.

Wer frühzeitig Schwachstellen findet, kann sie rechtzeitig beseitigen
Gleichzeitig kommen Berater gar nicht umhin, in regelmäßigen Abständen die Kassenführung mit ihren Mandanten zu simulieren. Wer frühzeitig Schwachstellen findet, kann sie rechtzeitig beseitigen. Dazu gehören regelmäßige Dokumentationen, eine sorgfältige Geräteauswahl, klare Verhaltensregeln für das Personal und eine ehrliche Risikoabwägung im Beratungsgespräch. Die Erstellung von Kassieranweisungen und Verfahrensdokumentationen sowie die Schulung der Mitarbeiter sind für bargeldintensive Betriebe einfach ein Muss.

3. Was fordert die Finanzverwaltung?

Bundeseinheitliche Standards könnten die Steuerhinterziehung in der Bargeldbranche deutlich verringern – und das aus mehreren Gründen:

3.1 Einheitliches Vorgehen erhöht das Entdeckungsrisiko

Bundeseinheitlicher Regelungen für Kassen-Nachschau
Derzeit werden Kassen-Nachschauen von Bundesland zu Bundesland und zum Teil sogar von Finanzamt zu Finanzamt sehr unterschiedlich gehandhabt. Mal gibt es eine gründlichere Prüfung, mal bleibt es bei einer oberflächlichen Stippvisite ohne Datenanalyse oder Belegprüfung. Bundeseinheitliche Vorgaben würden dafür sorgen, dass überall nach den gleichen Regeln kontrolliert wird – egal ob in Hamburg, Bayern oder Sachsen. So wäre das Entdeckungsrisiko bundesweit vergleichbar hoch, was die präventive Wirkung auf potenzielle Steuerhinterzieher enorm erhöhen würde.

3.2 Klare Regeln wirken abschreckend und sorgen für Steuergerechtigkeit

Ziel muss ein gerechtes Umfeld ohne „regionale Schlupflöcher“ sein
Wenn alle Betriebe wissen, dass sie es mit den gleichen Standards und einer ernstzunehmenden Wahrscheinlichkeit auf eine Nachschau zu tun haben, sinkt die Versuchung zur Manipulation. Gleichzeitig entsteht ein gerechtes Umfeld für die Unternehmer, da keine „regionalen Schlupflöcher“ mehr existieren.

3.3 Überwachung aller Kassentypen und Systeme

Derzeit konzentrieren sich die Nachschauen oft nur auf klassische elektronische Kassen. Taxameter oder Waagen mit Kassenfunktion bleiben in vielen Regionen außen vor. Einheitliche Regeln würden verpflichtend auch diese Geräte einbeziehen und so Manipulationsmöglichkeiten ausschließen.

3.4 Zielgerichtete Ressourcenverteilung und Controlling

Zielvereinbarungen über Kassen-Nachschauen fehlen bisher
Mit klaren, bundesweit geltenden Zielvorgaben (z. B. Prüfquote) könnten Ressourcen gezielter eingesetzt werden. Die Finanzverwaltung würde zudem vergleichbare Daten erhalten, mit denen sie die Wirksamkeit der Kassen-Nachschau beurteilen und die richtigen Stellschrauben justieren kann.

3.5 Weniger interpretierbare Grauzonen

Es fehlt an der Rechtssicherheit für Berater und Mandant
Letztlich schaffen bundeseinheitliche Standards auch mehr Rechtssicherheit für Betriebe und Berater. Wer weiß, was überall gilt, kann seine Kassensysteme und die Organisation darauf einstellen – und wird nicht von Überraschungen durch unterschiedliche Prüfungspraktiken getroffen.

Fazit | Die Kassen-Nachschau ist das richtige Instrument, aber (noch) nicht richtig angewandt. Viel zu selten eingesetzt, bleibt sie eher Gespenst als Kontrolleur im Alltag vieler Betriebe. Wer vorbereitet ist, muss keine Angst haben – Ehrlichkeit, Sorgfalt und ein bisschen Papierkrieg zahlen sich hier aus. Der Staat ist gefordert, mehr Durchblick und weniger Flickenteppich zu liefern. Aber auch Unternehmen und Berater dürfen sich nicht allein auf Glück verlassen: Wer sich regelmäßig „selbst prüft“, ist für jede echte Nachschau gewappnet.

Weiterführender Hinweis

BRH, „Milliardenbetrug eindämmen: Kassen-Nachschau stärken“