Neuer Musterprozess beim BFH: Wann sind Prozesskosten abzugsfähig?

05.12.2025

Außergewöhnliche Belastung

Neuer Musterprozess beim BFH: Wann sind Prozesskosten abzugsfähig?

Für die Beurteilung, ob die Gefahr besteht, dass man seine Existenzgrundlage verliert, ist die tatsächliche Einkommens- und Vermögenssituation im Jahr des Abflusses von Prozesskosten maßgeblich. Die bloße Befürchtung, dass sich die Einkommens- und Vermögenssituation in Zukunft verschlechtern werde, reicht dafür nicht aus. Diese Auffassung vertritt das FG Niedersachsen. Der Steuerzahler hat Revision eingelegt, sodass zum Thema „Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung“ ein weiterer Musterprozess beim BFH anhängig ist.

Steuerzahler klagt gegen illegale Glücksspielanbieter

Stellen nicht erstattete Prozesskosten ...
Im konkreten Fall ging es um einen Steuerzahler, der ausländische Online-Glücksspielanbieter auf Herausgabe seines Spieleinsatzes verklagt hatte. Das Angebot sei illegal gewesen. In dem Zusammenhang waren ihm Prozesskosten entstanden, die ihm von keiner Seite erstattet worden waren und die er nun als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen wollte.

FG verneint Abzug als außergewöhnliche Belastungen

... außergewöhnliche Belastungen dar?
Das FG Niedersachsen hat sich der Auffassung des Finanzamts angeschlossen und den Abzug als außergewöhnliche Belastung verneint. Die Abzugsvoraussetzung aus § 33 Abs. 2 S. 4 EStG seien nicht erfüllt gewesen. Bei den Aufwendungen für die Führung des Rechtsstreits hätte es sich nicht um solche gehandelt, ohne die der Steuerzahler Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (FG Niedersachsen 10.6.25, 13 K 157/24).

So definiert das FG Niedersachsen den Begriff „Existenzgrundlage“

Prozess muss der Sicherung der existenziellen Bedürfnisse dienen
Das FG versteht die „Existenzgrundlage“ als die sachlich-gegenständlich abgrenzbare Erwerbs- oder Einkommensgrundlage des Steuerpflichtigen, mit der er die Finanzierung seiner existenziellen Bedürfnisse sichert. Der Prozess muss dazu dienen, die materiellen Lebensgrundlagen zu erhalten und den Steuerpflichtigen vor einer Existenznot zu bewahren.

Werden die Prozesskosten dagegen aufgewendet, um zusätzliches Einkommen zu erlangen oder zu bewahren, obwohl das Existenzminimum durch eine andere Erwerbs- oder Einkommensquelle abgesichert ist, dient der Prozess nicht dazu, die „Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage“ abzuwenden.

Wann ist Glücksspieleinsatz „existenzbedrohendes Vermögen“?

Konkret reicht es dem FG für die Anwendbarkeit von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht aus, dass die Glücksspieleinsätze (bedrohte Vermögenseinheit) den wesentlichen Teil des Vermögens ausmachten. Das gelte selbst dann, wenn sich diese auf 85 Prozent des gesamten ertragbringenden Vermögens eines Steuerzahlers beliefen. Denn das Restvermögen von weniger als 15 Prozent könne immer noch so groß sein, dass es die Existenzgrundlage sichern könne.

Außerdem stelle der Verlust eines wesentlichen Teils des Vermögens auch dann keine „Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage“ dar, wenn dem Steuerzahler andere – nicht vermögensbasierte – Erwerbs- und Einkommensgrundlagen zur Verfügung stünden, mit denen er seine existenziellen Lebensbedürfnisse befriedigen könne.

Sichern soziale Sicherungssysteme immer die Existenzgrundlage?

Ob Leistungen aus den sozialen Sicherungssystemen dazu führen, dass quasi nie eine Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage zu befürchten ist, musste das FG im konkreten Fall nicht klären. „Denn auch dann, wenn diese Leistungen aus der Betrachtung ausgeblendet werden, standen dem Steuerzahler ausreichende Einkünfte zur Verfügung, um seine existenziellen Bedürfnisse zu befriedigen. Hierzu benötigte er nicht die Vermögenszuflüsse, die er mit den angestrengten Prozessen begehrte.“

Und das Gericht weiter: „Zusammengefasst dienten die zu beurteilenden Prozesskosten ... nicht der Beseitigung der Gefahr, die Existenzgrundlage zu verlieren, sondern hatten die Zielrichtung, das Vermögen ... zu mehren“.

Was sagt der BFH?

BFH soll Anwendungsbereich von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG konkretisieren
Weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, und „weil es für die zukünftige Anwendung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG erforderlich erscheint, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung die Voraussetzungen der Vorschrift weiter konkretisiert“, hat das FG die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Der Steuerzahler hat sie eingelegt. Der Musterprozess wird beim BFH unter dem Az. VI R 10/25 geführt.